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			Ich sahe mit betrachtenden Gemüte
			Jüngst einen Kirschbaum, welcher blühte,
			In kühler Nacht beim Mondenschein;
			Ich glaubt', es könne michts von größrer Weiße sein.
			Es schien, ob wär ein Schnee gefallen.
			Ein jeder, auch der kleinste Ast
			Trug gleichsam eine rechte Last
			Von zierlich-weißen runden Ballen.
			Es ist kein Schwan so weiß, da nämlich jedes Blatt,
			Indem daselbst des Mondes sanftes Licht
			Selbst durch die zarten Blätter bricht,
			Sogar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat.
			Unmöglich, dacht ich, kann auf Erden
			Was Weißers ausgefunden werden.
			Indem ich nun bald hin, bald her
			Im Schatten dieses Baumes gehe,
			Sah ich von ungefähr
			Durch alle Blumen in die Höhe
			Und ward noch einen weißern Schein,
			Der tausendmal so weiß, der tausendmal so klar,
			Fast halb darob erstaunt, gewahr.
			Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein
			Bei diesem weißen Glanz.  Es fiel mir ins Gesicht
			Von einem hellen Stern ein weißes Licht,
			Das mir recht in die Seele strahlte.
			
			Wie sehr ich mich an Gott im Irdischen ergetze,
			Dacht ich, hat Er dennoch weit größre Schätze.
			Die größte Schönheit dieser Erden
			Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.
			
by Barthold Hinrich Brockes (1680-1747)